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Ich habe viele meiner Möbel aus dem Brockenhaus. Wenn ich etwas Spezielles brauche, schaue ich auf Tutti. Eigentlich komme ich so immer für wenig Geld an sehr gute Sachen. Und auch gratis gibt es ja immer gute Materialien, wenn man die Augen offen hat. Letzten Winter hat eine Freundin gesehen, dass bei uns in der Nähe ganz viele Fenster auf dem Trottoir stehen, die sollten entsorgt werden. Wir sind mit dem Veloanhänger hin und haben eine Ladung mitgenommen. Daraus haben wir ein kleines Treibhaus gebaut, in dem dann im Frühling die Tomatensetzlinge wachsen durften. Oder als mein früheres Zuhause abgebrochen wurde, da habe ich Material zum Basteln mitgenommen und aus den Türen der Küchenschränke ein kleines Möbel gebaut. Bei uns stapeln sich überall Materialien, besonders Holzbretter, und warten auf Weiterverwendung.

Eine Mitbewohnerin fragte mich kürzlich, ob ich demnächst wieder einmal die Brockenhäuser durchstreife, sie brauche nämlich ein Schuhgestell und habe keine Lust, in die Ikea zu fahren. Ich sagte, das kann man doch ganz leicht selber machen! Alles das gerettete Holz, das herumliegt, kann man doch schnell zusammenbauen. Die Mitbewohnerin fand das einen schönen Vorschlag, meinte aber, dass sie nicht schreinern könne. Ich sagte, dass ich ihr gerne helfe, aber dann kam mir eine super Idee. Ich bin ja Italiener und mein Deutsch ist nicht so perfekt. Meine Arbeitsstelle läuft in den kommenden Monaten aus, darum suche ich eine neue. Ich habe ein Motivationsschreiben auf Englisch geschrieben und das brauche ich jetzt in gutem Deutsch. Meine Idee: Schuhgestell gegen Übersetzung. Der Deal war sofort abgemacht.

Zwei Stunden später war das Schuhgestell da, mit integrierter Bank, damit sie beim Schuhanziehen sitzen kann. Das oberste Brett ist eine dicke Planke von einem Baugerüst. Ich habe sie feingeschliffen und jetzt ist es so Shabby Chic, das ist ja heute sehr beliebt. Die unteren Bretter sind von einer Holzplattform im Garten, die wir entsorgt haben, weil sie auf der einen Seite angefault war. Im Holz hat es so kleine Rillen, das ist sehr praktisch, falls die Schuhe einmal feucht sind. Meine Mitbewohnerin war begeistert, weil es so schnell gegangen war und weil sie das neue Schuhgestell sehr schön und praktisch fand. Nun warte ich gespannt auf mein Motivationsschreiben in schönstem Deutsch.

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Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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