Neue Geschichten jeden Dienstag und Freitag.

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Ich esse unglaublich gern und ich habe einen starken Bezug zu Lebensmitteln. Was braucht es, damit etwas wächst, gedeiht, verpackt, transportiert und verkauft ist? Diesen ganzen Kreislauf bis man etwas essen kann finde ich unglaublich faszinierend.

Ich bin bei der Organisation Foodsharing verantwortlich für acht Betriebe und koordiniere da die Abholungen. Wir holen bei Restaurants, Detailhändlern, Takeouts, Märkten und Gemüseläden das Essen ab, welches sie sonst wegwerfen würden. In Zürich haben wir fast tausend Foodsaver, die bei den 47 Betrieben abholen, welche mit uns kooperieren. Natürlich sind wir einen Tropfen auf den heissen Stein. Aber ich konzentriere mich auf das, was wir retten und nicht auf das, was immer noch weggeworfen wird.

Wir wollen den Betrieben so wenig Arbeit wie möglich machen, dezent sein, die Kundschaft vorlassen, alles sauber hinterlassen, selber aussortieren. Neulinge müssen ein Quiz über die Grundsätze, Verhaltens- und Hygieneregeln und einige andere wichtige Themen absolvieren. Danach werden sie für die ersten drei Abholungen von erfahrenen Foodsavern begleitet und eingeführt, sodass wir die neuen Gesichter kennen lernen können. Damit die Abholungen mit so vielen und auch sehr grossen Betrieben funktionieren, braucht es Regelungen. Die jeweiligen Betriebe sind sehr glücklich, dass wir kommen und sie somit keinen Foodwaste produzieren. 

Ich und mein Zuhause sind ein Umschlagplatz für gerettetes Essen geworden. Ich habe einen Broadcast, wo ich schreibe, was es bei uns gerade abzuholen gibt. Unser Zuhause ist somit eine Bring- und Holstation. Immer öfters bringen mir Foodsaver-Freunde etwas von ihren Abholungen und nehmen von uns etwas mit. Es entstehen tolle Tauschaktionen. Wir haben oft so viele Lebensmittel im Haus, dass wir schauen müssen, dass sie nicht schlecht werden. Immer wenn ich jemanden besuche, habe ich auch Essen dabei. Was ich schon an Essen von A nach B gebracht habe, ist absurd.

Es brennt mir schon unter den Nägeln und manchmal fühle ich mich machtlos, aber dann sage ich wieder: ich kann sehr viel machen. Ich habe so viele Entscheidungen zu treffen, jeden Tag. Ich möchte das Gute sehen, die Schönheit, und dies mit Bekannt und Unbekannt teilen. Es passiert jetzt auch wirklich so viel Gutes und Wertvolles auf unserem ganzen Planeten. Es sollte eine Zeitung geben, die nur solche guten Geschichten niederschreibt.

Meine Familie lebt im Überfluss, das sagen wir uns regelmässig. Gleichzeitig hat unsere Lebensart auch etwas sehr Bescheidenes. Manchmal habe ich Lust auf etwas Bestimmtes, zum Beispiel Pizza. Doch dann koche ich doch meistens das, was ich im Kühlschrank finde und was unbedingt gegessen werden sollte. Das ist ein Perspektivenwechsel. Es hat damit zu tun, einen bestimmten Gedanken oder Essenswunsch loszulassen. Wenn ich keine genaue Erwartung habe, dann kann ich immer wieder beschenkt werden. Ich liebe Improvisation, nicht nach Rezept zu kochen, spontan zu entscheiden. Ich esse definitiv vielseitiger als wenn ich einkaufen gehen würde. Mit Resten kann ich jonglieren und kreieren. Wenn man das so sieht, dann leben wir wirklich im Überfluss.

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Die meisten Geschichten entwickeln sich in einem Gespräch und wir schreiben sie auf. Manche Geschichten werden uns zugeschickt, auf Einladung oder spontan. Bislang haben wir die Geschichten nicht systematisch gesucht – sie ergeben sich durch spontane Kontakte, Empfehlungen und Zufälle.

Die Geschichten widerspiegeln nicht immer unsere Meinung; und die Geschichtenerzählerïnnen sind wohl auch nicht immer einer Meinung.

Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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